Als die R5c am Montag in ihren Klassenraum kommt, sieht sie erst einmal rot. Denn an der Tafel prangen 13 knallrote DIN4 Blätter. Auf ihnen sind kurze Handlungsanweisungen zu einer korrekten Durchführung eines Corona Selbsttests zu sehen. Sie reichen vom Händewaschen über die richtige Naseneinführung der Stäbchen bis hin zur Entsorgung. Von den Lehrkräften wurden sie quasi als Anschauungsunterricht für die Schülerinnen und Schüler dort hingehängt. Eine ausführliche Einweisung der Klassenleitung steht nun auf der Tagesordnung. Dann wird getestet und 15 Minuten auf das Ergebnis gewartet. Währenddessen läuft der Unterricht schon an. Die negativen Resultate können sich sehen lassen. Auch Hanna aus der G5a sieht das Ganze danach entspannter: „Am Anfang dachte ich, blöd, dass wir jetzt auch in der Schule getestet werden. Aber als ich gehört habe, dass wir die Tests selbst durchführen, fand ich es doch nicht mehr so schlimm.“
Nach den Osterferien wurde es ernst an den Schulen. Zwar hatten sich alle den Präsenzunterricht herbeigesehnt. Doch die Inzidenzwerte hatten etwas Entscheidendes dagegen: Sie stiegen. Also blieb nur der Selbsttest als Ultima Ratio in den Schulen.
Testpflichtig sind alle Lehrkräfte, das Personal sowie weitere Personen, die unmittelbaren Schülerkontakt haben. Handelt es sich um externe Personen, müssen diese dann ein negatives Testergebnis vorlegen. Lehrkräfte und weiteres Personal erhalten die Selbsttests von der Schule. Präsenzkinder müssen nicht täglich, aber zweimal – Montag und Donnerstag – pro Woche einen Selbsttest in der Schule durchführen. Auch die Bescheinigung eines negativen Bürgertests zählt, die nicht älter als 72 Stunden sein darf. Was aber passiert mit Zuspätkommern? Und was ist, wenn die Kinder an den Testtagen krank sind? In diesen Fällen wurde folgende verbindliche Vereinbarung festgelegt und von Schulleiterin Frau Wetterau-Bein in einem Brief an die Eltern kommuniziert:
„Sollte Ihr Kind am Tag der Gruppentestung aus verschiedenen Gründen wie Krankheit oder Zuspätkommen verhindert sein, muss es am ersten Tag des Wiedererscheinens in der Schule vor Unterrichtsbeginn in der Mensa einen Selbsttest durchführen oder einen gültigen Nachweis eines Bürgertests vorlegen“, hieß es in der Mitteilung.
„In der ersten Woche lief alles glatt“, vermeldet Dr. Richter über die höheren Klassen und die von ihm betreuten Abschlussklassen. Die von den Lehrkräften erfolgten Tutorials über die Testung seien von den Schülerinnen und Schülern ernst genommen worden. „Wie eine chemische Versuchsanordnung“ seien die Selbsttests vorgenommen worden, so der Leiter des Realschulzweiges.
„Jeder erhielt einen sogenannten Waschzettel, auf dem die Vorgehensweise klar und verständlich notiert war“, erklärt Dr. Richter. Vier von 15 Jugendlichen kannten den Test schon, der Rest habe routiniert das Stäbchen in der Nase gedreht. „Lief einfacher als gedacht“, „Easy“, „Cool“, lautete die vorherrschende Meinung zu dem Prozedere.
Haben alle mitgemacht? „Es gab durchaus auch Verweigerer“, räumt Dr. Richter ein, „da haben die Eltern Einspruch erhoben“. Die mussten dann zu Hause bleiben.
Aber deren Anteil sei verschwindend gering. „Positive Testergebnisse sind für uns zunächst einmal Verdachtsfälle“, erklärt er. Akut werden sie erst, wenn sie durch PCR-Tests bestätigt würden. Der PCR-Test – auch Labortest genannt – gilt als der Goldstandard unter den Corona-Tests. Mittels PCR-Test kann in einer Probe aus den Schleimhäuten der Atemwege zuverlässig nachgewiesen werden, ob Erreger vorhanden sind. Allerdings dauere das mehrere Tage.
Für die im Schnelltest positiv auf Corona getesteten Kinder gelten strenge Regeln: Diese Schülerinnen und Schüler werden umgehend zur Mensa begleitet. „Unsere Mensa ist als eine Art Beruhigungs- und Betreuungsraum zu sehen“, bringt es Dr. Richter auf den Punkt. Von dort werden alle weiteren Maßnahmen in die Wege geleitet. Begleitet wird das betroffene Kind entweder durch ein Mitglied der Schulleitung, von der Schulsozialarbeiterin oder von der jeweils unterrichtenden Lehrkraft. Dabei sei die Aufsicht der Lerngruppe immer gewährleistet, ergänzt Frau Wetterau-Bein und erklärt auch, was die Weingartenschule anders mache, als es in der Empfehlung des Gesundheitsamtes stehe.
Laut dieser Empfehlung soll die betroffene Lerngruppe am selben Tag noch in der Schule bleiben, ab dem darauffolgenden Tag jedoch bis zum endgültigen Ergebnis des PCR-Tests des betroffenen Kindes zu Hause bleiben. „An unserer Schule möchten wir aber trotzdem weiterhin so verfahren, wie wir bisher mit positiven Testungen umgegangen sind.“ Die betroffene Lerngruppe soll noch am Tag der positiven Testung nach Hause gehen, bis das Ergebnis des PCR-Tests vorliegt. Die Eltern würden umgehend über das Sekretariat informiert, dass es in der Lerngruppe einen positiven Fall gab. Im günstigsten Fall seien die Kinder dann zur dritten Unterrichtsstunde zu Hause und können dort distanzbeschult werden. Ist das Ergebnis des PCR-Tests negativ, können alle wieder in die Schule kommen. Ist es positiv, leitet das Gesundheitsamt die entsprechenden Schritte ein.
Nur sehr wenige Kinder waren in dieser ersten Testwoche von einer positiven Testung betroffen. Sie hätten laut Dr. Richter das Ergebnis eher gefasst aufgenommen. Es hätte bei allen eher die Angst vorgeherrscht, derjenige zu sein, der mit einer positiven Testung für den Abgang der anderen verantwortlich sei, zieht er Bilanz. Eine Art Schuldgefühl habe sich da eingestellt. Das bestätigt auch Arwen aus der 10. Klasse. „Es fühlt sich bestimmt voll peinlich an, sollte man positiv getestet sein“, sagt er geradeaus. Und zieht für sich den Schluss: „Es ist auf jeden Fall beruhigend, den Test zu machen, da fühlen sich alle in der Klasse besser“. Jaskaran, ebenfalls in der 10. Klasse, hat zu den Tests eine klare Meinung: „Ich bin absolut zufrieden mit dem Ablauf, das ist für alle sehr sinnvoll.“ Diese Einschätzung teilt er mit Oberstudienrat Thomas Preußer, der an der WGS Englisch und Erdkunde unterrichtet: „Ich persönlich begrüße alle Instrumente und Maßnahmen, die der Schulgemeinschaft mehr Sicherheit bringen. Die Schnelltests halte ich für ein sehr geeignetes Instrument. Die Durchführung ist „kinderleicht“, nicht schmerzhaft und nur wenig unangenehm. Gerade an den Testtagen ist es ein sehr gutes Gefühl, nur mit negativ getesteten Personen in einem Raum zu sein“. Seine Schülerin Hanna bestätigt seine Einschätzung: „Die Tests im Testcenter sind wirklich unangenehmer.“
Erkundigt man sich bei der neuen stellvertretenden Schulleiterin Sabine Trapp, so zieht auch sie eine positive Bilanz: „Hier an der Weingartenschule haben die ersten Testungen sehr gut geklappt. Die Lehrkräfte waren gut vorbereitet und haben den Schülerinnen und Schülern etwaige Ängste vor der ungewöhnlichen Situation nehmen können. Diese erste Woche hat uns dank der Tests drei bestätigte infizierte Fälle gebracht und wir haben einen Beitrag dazu geleistet, mögliche Infektionsketten zu durchbrechen. Wenn wir dadurch unseren Schülern ermöglichen können, in die Schule zu kommen, hat sich der Aufwand und das „bisschen Kitzeln in der Nase“ (Schüler Jannes) gelohnt.“
Bleibt die Frage, wie es weitergeht. Notbremse ist das Stichwort.
Die werde laut Kultusminister Alexander Lorz erhebliche Belastungen für die Familien mit sich bringen. Lorz hofft, dass in den nächsten Wochen noch viel Wechselunterricht in aufgeteilten Klassen möglich sein werde. Dieser wird laut Beschluss in Städten und Kreisen, in denen die Inzidenz unter 100 liegt, durchweg für die Klassen 1 bis 6 erteilt. Für die Klassen 7 bis 11 auch vom 6. Mai an. Abschlussklassen können so lange zusammen in den Unterricht kommen, wie die Inzidenz nicht über 165 liegt.
Realschulzweigleiter Dr. Richter hofft, dass der gemeinsame Unterricht bestehen bleibt. Denn bisher seien seine Abschlussschüler gut gefahren. Mohamed aus der R10 sieht sogar Vorteile: „Wenn das wuselige Kleingemüse nicht da ist, haben wir einfach mehr Ruhe“. Fokussierter und konzentrierter hätten sie sich so auf die Prüfungen vorbereitet. „Durch Corona hatten wir keine Nachteile, es waren ja alle da“, bewertet Abschlussschülerin Laura die Situation. Sie wünsche sich jetzt inständig, dass das so bleibt und die Inzidenzen nichts dagegen haben.