Weißes Hemd, schwarze Hose, schwarze Lederschuhe. So steht Robin heute vor seinen Klassenkameraden. Der Gymnasiast besucht die 9. Klasse der Weingartenschule und hat sich besonders schick gemacht. Denn auf dem Stundenplan stehen heute nicht Mathe, Deutsch und Englisch, sondern ein Bewerbungsgespräch für einen Job in der Versicherungsbranche.
Als Coach ist Rainer Aßmann, Regionalgeschäftsführer der Barmer GEK-Krankenkasse, mit seinem sechsköpfigen Team an die Schule gekommen. Im Rahmen von zwei Projekttagen werden die Spezialisten rund 150 Schülerinnen und Schülern aus allen 9. und 10. Klassen der Gesamtschule zeigen, was gute Manieren sind, wie man sich richtig vorstellt oder sich im Gespräch mit dem Chef verhält. Denn gutes Benehmen soll Schule machen.
Aller Anstand ist schwer!
Und dann geht es zur Sache. Den Auftakt bildet ein Vortrag „Über den Umgang mit Menschen“ frei nach Benimm-Ratgeber Adolph Freiherr von Knigge.
Nach allen Regeln der Kunst weist Aßmann die Jugendlichen in die Regeln und Kniffe von gutem Benehmen, Höflichkeit, Anstand und Taktgefühl ein.
„Bitte“, „Danke“, „Entschuldigung“ und „Guten Tag“ – mit ganz einfachen Höflichkeitsregeln gewinnt man andere Menschen für sich. Dass man sich für sein Niesen entschuldigt, für eine aufgehaltene Tür bedankt und bei der Begrüßung aufsteht, sollte selbstverständlich sein. Beim Sich-Vorstellen nennt man immer Vor- und Nachnamen, schaut sich an und lächelt, während man sich die Hand gibt – mit festem Händedruck natürlich!
Welche Themen eignen sich eigentlich für einen Small-Talk? Welche Körperhaltung nehme ich im Sitzen ein und welche im Stehen? Wie benehme ich mich bei einem Geschäftsessen im Restaurant? Wie kleide ich mich angemessen im Berufsleben? Und was soll ich anziehen zum Bewerbungsgespräch? Niemals bitte Kurzarmhemd und dazu eine Krawatte, niemals Sandalen, das gilt für die Herren. Und die jungen Damen? Der Rock nicht zu kurz, das Dekolleté nicht zu tief!
Szenenwechsel: Im Klassenraum der G 9a ist ein Tisch gedeckt: rechts das Messer, links die Gabel. Wohin gehört der Löffel? Wie isst man Spaghetti oder Spargel?
Die Schüler sollen beweisen, dass sie sich bei Tisch zu benehmen wissen. Und während der eine sich schwertut, überhaupt ruhig am Tisch zu sitzen, erklärt die andere ihrem Sitznachbarn seelenruhig, wie man das Besteck und die Serviette benutzen muss und dass das Handy nichts auf dem Tisch zu suchen hat.
Stressfrei in den Berufsstart
Am nächsten Tag steht ein komplettes Assessmentcenter auf der Agenda. Den Höhepunkt bildet ein simuliertes Vorstellungsgespräch. Dafür haben sich alle Jugendlichen in Schale geworfen: viele Jungs in Schlips und Kragen, die Mädchen in hübsche Blusen. Denn das ist allen klar: Der erste Eindruck ist entscheidend!
Die Jugendlichen sind außerdem gut vorbereitet: Als Vorübung haben sie eine echte Stellenausschreibung samt Firmenprofil bekommen und Zeit, sich darauf vorzubereiten. „Warum haben Sie sich bei uns beworben? Wo liegen Ihre Stärken? Und wo Ihre Schwächen? Wie stellen Sie sich Ihre Zukunft vor?“ Gar nicht so leicht, darauf spontane und gelungene Antworten zu geben!
In Präsentationen, Kurzvorträgen, Gruppendiskussionen zu aktuellen Themen und Rollenspielen unter Zeitdruck und zu vorgegebenen Themen fordern Aßmann und sein Team die Schülerinnen und Schüler auf zu diskutieren, zu argumentieren, Gesprächsregeln einzuhalten und ihr Gegenüber zu überzeugen.
Dabei lernen sie ihre Mimik und Gestik richtig einzusetzen, frei und flüssig vorzutragen und dabei auch verschiedene Medien einzusetzen. Die Mitschüler und Klassenlehrer sind kritische Zuhörer und geben konstruktives Feedback. Und in einem sind sich alle einig: Ohne gute Vorbereitung geht gar nichts.
Im Nachbarklassenzimmer hat sich die R10b zu einer Gruppenarbeit zusammengefunden. Mit Schere, Kleber und Pappkärtchen sollen sie im Team einen Turm bauen. Gruppendynamik und Teamfähigkeit jedes Einzelnen werden dabei genau beobachtet wie in einem echten Assessmentcenter.
„Am Anfang war ich total aufgeregt, aber dann bin ich viel gelassener geworden“, freut sich Abdinur, der eine 10. Realschul-Abschlussklasse besucht und sich sicher bald einem echten Vorstellungsgespräch wird stellen müssen. Er fand es schwierig, vor Zuhörern fünf Minuten lang und ohne Unterbrechung über sich und sein Leben erzählen zu sollen.
„Das war ein super Projekt“, resümiert Ann-Kathrin aus einer 9. Realschulklasse. „Wir haben echt Spaß gehabt, aber vor allem haben wir viele wichtige Tipps bekommen, die wir wirklich bald im Berufsleben gebrauchen können.“
Annabelle aus einer 9. Gymnasialklasse hat jetzt nicht mehr so viel Angst vor ihrem ersten Bewerbungsgespräch. Sie fand die Fragen, die ihr gestellt wurden sehr interessant und hat die Erfahrung gemacht, dass eine einzige Frage einen völlig aus dem Konzept bringen kann. „Wir haben viele Dinge gelernt, die wichtig für unser ganzes weiteres Leben sind“, ergänzt Devin aus der Parallelklasse.
Nati ist 14 Jahre alt und besucht die 9. Realschulklasse. „Vor einer echten Jobbewerbung habe ich nun nicht mehr so große Angst“, so sein Resümee.
„Ich möchte hier keine starren Regeln predigen“, erklärt Aßmann. „Aber einwandfreies Benehmen und Auftreten sind für Euch unentbehrlich, wenn Ihr nach einem erfolgreichen Schulabschluss in das Berufsleben starten möchtet“, macht er den Jugendlichen deutlich.
Mit guter Vorbereitung zum Job
Die Schüler sind 15 oder 16 Jahre alt, bald schon müssen sie Bewerbungen schreiben und sich einem Vorstellungsgespräch stellen. Bei einem Bewerbungsgespräch entscheiden in der Regel das Auftreten und der erste Eindruck darüber, ob der Bewerber einen Ausbildungsplatz bekommt – oder eben nicht.
„Wir hatten ein sehr gutes Programm“, fasst Dr. Christoph Richter, der Leiter des Realschulzweiges, seinen Eindruck der Projekttage zusammen. Viele Schülerinnen und Schüler gehen jetzt in ihr erstes Betriebspraktikum und können das, was sie gelernt haben, direkt anwenden.
Die Weingartenschule hat sich auf den Weg gemacht, eine „Sozialwirksame Schule“ zu werden. Eine gute Schulkultur, ein gutes Klassenklima und die Erziehung zu gemeinsamen und verbindlichen Werten und Regeln werden an der Gesamtschule großgeschrieben. „Wir haben uns auf die Fahne geschrieben, nicht nur guten Unterricht zu machen, sondern unsere Schüler auch für gutes Benehmen zu begeistern und grundlegende Tugenden wir Rücksichtnahme, Höflichkeit, Disziplin und Ordnung zu fördern“, so Dr. Richter.
- Wir möchten somit auch die Eltern daran erinnern, dass Zauberworte wie “hallo”, “bitte”, “danke” und “es tut mir leid” zunächst einmal zu Hause erlernt werden sollten.
- Ebenfalls zu Hause lernen Kinder ehrlich, pünktlich, fleißig und mitfühlend zu sein, sowie Älteren und Lehrenden Respekt entgegen zu bringen.
- Zu Hause lernen sie auch, sauber zu sein, nicht mit vollem Mund zu reden und Müll richtig zu entsorgen.
- Hier in der Schule bringen wir ihnen wiederum Sprache, Mathematik, Geschichte, Geographie, Physik, Naturwissenschaften und Sport bei.
Wir unterstützen nur die Erziehung, die die Kinder zu Hause von ihren Eltern erhalten haben.