Pull-out-Projekttag: Begabtenförderung an der Weingartenschule

 

Angemessen anstrengend

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Die müssen doch was an sich haben, meinen einige. Haben sie aber nicht. Zumindest nichts Äußerliches. Es sind mehr ihre inneren Werte und Fähigkeiten, wegen derer Studienrat Thomas Preußer – der Leiter der Hochbegabtenförderung an der Weingartenschule – 21 Schülerinnen und 22 Schüler aus den 8. und 9. Klassen verschiedener Schulen eingeladen hat. Sie alle zeichnen sich durch besondere Leistungs- und Lernbereitschaft aus, viele von ihnen gelten als hochbegabt, und sie alle sind neugierig auf das, was da nun kommen mag. 

Sie kommen von der Gesamtschule Fischbach in Kelkheim, der Heinrich-Böll-Schule in Hattersheim, der Mendelssohn-Bartholdy-Schule in Sulzbach und der Weingartenschule in Kriftel. Diese vier Schulen haben sich zu einem Netzwerk für Hochbegabung im Main-Taunus-Kreis zusammengeschlossen. 

„Ein hohes Leistungspotenzial bedeutet nicht automatisch Erfolg in der Schule und das Erreichen der individuell bestmöglichen Ziele“, erklärt Preußer. So gelte es zunächst, besondere Talente früh zu erkennen. Das tun die Klassen- und Fachlehrer und geben Rückmeldung an die Schulleitung. Dann werden die ausgewählten Kinder aus ihrer Klasse „herausgezogen“ (Pull-out), auf ihren Leistungsstand hin geprüft und gezielt in besonderen Projekten gefördert. So wie in den drei Workshops, mit denen sie am Donnerstag, den 21. November, in der Weingartenschule Kriftel unbekanntes Neuland betraten. 

Mit Köpfchen

Da war zunächst das Projekt „Bewegen und Spielen mit Grips und Muckis“ mit Sportwissenschaftler Tobias Dauner in der riesigen Sporthalle der WGS. Ihm ging es, wie er in seiner Begrüßung ausführte, um „Spiele- und Bewegungsformen, bei denen Strategie und Konzentration für eine erfreuliches Ergebnis sorgen“. 

Gesagt getan: Bei „Fingerspitzenfangen“, dem Warmup im Kreis, verging die Müdigkeit wie im Flug. Danach wurden bekannte Brettspiele wie „Mühle“ dreidimensional auf den Boden gebracht. Da hieß es Schnelligkeit mit Überblick zu kombinieren.  Bei verschiedenen Teamspielen gab Dauner Tipps und die eine oder andere Strategie mit auf den Weg. „Es ist immer interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Geschlechter reagieren“, bemerkte der Sportexperte. „Mädchen hören besser zu und setzen eine Strategie auch eher um“. Eine erfolgreiche Taktik sei der Schlüssel zum Gewinn. Gelungene Verteilung über den Raum und gezieltes Antäuschen von Spielzügen gelinge eben eher mit Intelligenz. Wie schwer die Umsetzung von theoretischen Erkenntnissen in der Praxis ist, merkten die Teilnehmer spätestens bei der letzten Übung, in der Koordinationsfähigkeit trainiert werden sollte. An verschiedenen Stationen mussten verschiedene Dinge gleichzeitig getan werden. Auf einem Ball zu sitzen und Schuhe an und aus zuziehen, einen Basketball nach unten und gleichzeitig einen Tischtennisball mit dem Schläger nach oben zu schlagen, gelang nur den wenigsten. Larissa und Johanna, beide in der G8b der Weingartenschule, trafen mit ihrem Kommentar den Punkt: „Konzentration ist wichtig fürs Gelingen“, wusste die eine, und die andere meinte lapidar: „Und Gewinnen macht mehr Spaß“. 

 

 

 

Um die Ecke denken

Lustig und konzentriert ging es auch im Projekt „mindDo-BootCamp“ zu. Es stand unter dem Motto: Gehirnjogging – weil es Spaß macht. Das Wort „mind“ im Logo stehe dabei für das Gehirn, erklärte Detlef Braun, der Leiter des „Spielpunkt“  in Kriftel. „Do“ heißt auf Japanisch „Weg“, wie in Ju-do oder Aiki-do, wie Braun ausführte.  Entsprechend viele kniffelige Aufgaben galt es zu lösen. Anfangs wurden zur Auflockerung viele Fragen gestellt. Und zunächst standen da viele Fragezeichen im Raum und in den Gesichtern der Gefragten. Für die richtigen Antworten mussten die Teilnehmer lernen, nicht immer den einfachen Weg zu gehen, sondern um die Ecke zu denken. Schnell bildeten sich Spielegruppen und alle durften ihre Geschicklichkeit am Objekt erproben. Ob es nun darum ging, räumliche Konstruktionen zu durchschauen, Schatztruhen zu öffnen oder Buchstaben für Zahlen zu nutzen, bei jedem Projekt war lösungsorientiertes Denken angesagt. Mit Hirn und Herz waren die Teilnehmer bei der Sache, man konnte die geistige Energie geradezu fühlen. „Es geht darum, ausgetretene Denkpfade zu verlassen, um auf die Lösungen zu kommen“, so Detlef Braun, der mit Mitstreiter Jago Lehmann bereits über 500 Kindergeburtstage mit seinen handyfreien Knobeleien bespielte.  

„War viel Kopfarbeit, aber auch mega abwechslungsreich“, fasst der 14-jährige Max das Erlebte zusammen. In den eineinhalb Stunden standen Kartenspiele,  Knobeln, Koordination, geistige Transfers und Taktik im Vordergrund. Und das kam an: „Wer logisch denken kann, ist klar im Vorteil“, so Ina von der Heinrich-Böll-Schule. 

 

Mord im Hexenhaus

Logisches Denken war sicher nicht die schlechteste Vorrausetzung für das dritte Projekt, das sich mit dem Fall Hänsel und Gretel beschäftigte – und das unter juristischen Aspekten. Das Märchen kennt ja jeder, es gilt wie viele der Grimm’schen Märchen als besonders grausam. Die Protagonisten: hungernde Kinder, gewissenlose Eltern, eine boshafte Hexe. Genug Stoff jedenfalls, um diese Gemengelage mit den Augen eines Juristen  zu betrachten. Dafür waren die beiden Jurastudenten Patrick Pusch und Constantin van de Loo von der Uni Mainz gekommen. Sie begleiteten und steuerten den komplexen Sachverhalt mit den richtigen Fragen. Das war spannend.  Es wurden drei Gruppen gebildet, um die Kinder, die Eltern und Hexe vor Gericht zu stellen und ihrer Vergehen anzuklagen. Fachbegriffe wie Mord, Körperverletzung, Entführung, Freiheitsberaubung, Hausfriedensbruch oder Raub flogen da nur so durch den Raum. Es folgten Paragraphen und deren Inhalte. Einfach war das alles nicht, denn die „Opfer“ waren zwar Hänsel und Gretel, aber am Ende landete ja die Hexe im Ofen. „Und juristisch gesehen haben auch die Eltern einiges auf dem Kerbholz“, geben die beiden Projektleiter zu bedenken. 

Gesetzesverstöße  wurden gefunden und benannt. Was ist Vorsatz, Schuldfähigkeit, Heimtücke? Wo liegt der Unterschied zwischen Raub und Unterschlagung? Es wurde heftig diskutiert und viele gescheite Fragen wurden gestellt. Am Ende plädierten die jugendlichen Richter für schuldig oder unschuldig für ihre angeklagten Märchenfiguren auf Basis des geltenden Strafrechts. Der Lerneffekt macht Eindruck. Klar seien die juristische Fachsprache und die Paragrafen zunächst verwirrend, aber „sie helfen gegen Vorverurteilungen“, zieht Linda ihre persönliche Bilanz. 

Am Ende dieses erkenntnisreichen und unterhaltsamen Projekttages erhielt jeder Teilnehmer seine Urkunde und durfte die Projekte anonym beurteilen. Das Ergebnis fiel durchweg positiv aus.

Was bleibt in Erinnerung? Auf Nachfrage gab es Antworten im Forum der WGS: „Überraschend wie eine Wundertüte“, meinte einer. „War schon viel Arbeit für den Kopf“, ergänzte Mia. „Angemessen anstrengend“, bringt Lilly den Tag für die Hochbegabten auf den Punkt.  

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