Durch Stürme und Flauten

Kriftel: Lockdown-Jahrgang erhält Abschlusszeugnisse in der Weingartenschule

Von Alexander van de Loo

Rotweiße Absperrbänder knattern im Wind. Nein, sie weisen nicht auf einen Tatort hin.  Sie verengen den Eingang zur Weingartenschule in Kriftel. Kontrolle ist nach wie vor Vorschrift in diesen Zeiten. Mitglieder des Lehrerkollegiums inspizieren Anmeldebögen und schauen in die Smartphones der Besucher. Nur wer dort vollständige Impfnachweise, eine Corona-Genesung oder einen frischen PCR-Test vorzeigen kann, darf passieren. 

In diesem Jahr der fallenden Inzidenzen durften die Schülerinnen und Schüler als Klassen zusammensitzen und zwei Begleitpersonen mitbringen. Die kamen gerne mit den Jugendlichen in das geräumige Forum der Weingartenschule. Denn am Freitagnachmittag, den 09.07.2021, wurden 97 Haupt- und Realschülerinnen und Schüler feierlich entlassen, am darauffolgenden Donnerstag 63 Gymnasiasten. Es war voller als im vergangenen Jahr, allein der Geruch von Desinfektionsmittel in der Luft erinnerte an die Pandemie. Alles andere als steril waren die Gesangseinlagen der Schulband, geleitet von Musiklehrerin Carolin Acker. „Verflixtes Corona“, ärgert sie sich, „so viele Talente und keine Bühne dafür“. Heute präsentierten als kleine fast reine Mädchenband Michelle, Maleika und Lenia Songs von Lady Gaga und Rihanna begleitet von Amelie am Bass, dem einzigen Jungen Ole am Schlagzeug und Carolin Acker am Klavier. Endlich wieder singen! Alles kurz vorher mit dem Gesundheitsamt abgesprochen, Mindestabstand inklusive. So geht Feiern in Zeiten von COVID-19. 

alles mit abstand

Ein neuer Kurs

Der Stimmung im Forum tat das keinen Abbruch. Blumen und Geschenke wurden überreicht, so manches Tränchen vergossen. Es gab schöne, weise und auch wehmütige Reden von Zweigleitern, Klassenlehrern, Klassensprechern und Jugendlichen, die sich einfach trauten, wie Oliwia aus der R10b. Auch Zakaria aus der G10a fasste sich ein Herz und führte in seiner bemerkenswerten Rede Steve Jobs und die geschenkte Zeit ins Feld ( „Jede Sekunde nutzen!“) Und natürlich  durfte die Ansprache von Schulleiterin Elke Wetterau-Bein nicht fehlen. Sie ließ noch einmal die Vergangenheit im Lockdown Revue passieren („kein richtiges Schulleben, eher Chaostage“). Wortgewandt beschreibt sie die Schule als Schiff, die Lehrer als Crew und die Schüler als allerdings arbeitende Passagiere. „Ihr seid im Hafen gelandet, euer Seesack ist gepackt, jetzt schlagt ihr einen neuen Kurs in euerm Leben ein“, lautete Wetterau-Beins Bild dieses neuen Aufbruchs. Und so verbreitete sie im Saal den ihr eigenen Optimismus.  Mit Hoffnung, Zuversicht und dem Glauben an sich selbst können Flauten und Stürme überwunden werden, lautete ihr Credo. Oder wie es Lehrerin Dr. Ohlinger auf den Punkt brachte: „Das Leben ist kein Spaziergang durch ein freies Feld“. Den Erziehungsauftrag der Schule sah sie darin, denkende und kritische Erwachsene zu formen. „Geht in die Welt, nehmt Anlauf und überwindet eure Hindernisse“, rief sie ihrer H9a zu.

 

Feste Familienbande

„Ich werde die Lehrer vermissen, die vertrauensvollen Gespräche, es war wie eine Familie“, seufzt die 16jährige Jamie-Lee, Jahrgangsbeste zusammen mit Mohammed im Hauptschulzweig. (Durchschnitt 1,7).  Sie hat große Ambitionen und möchte zunächst den Realschulabschluss, dann eine Ausbildung als Rettungssanitäterin absolvieren. Medizin zu studieren, wäre ihr Traum. Sie hat, wie alle hier, endlich wieder mit ihren Mitschülern zusammengesessen und den aufmunternden Reden gelauscht. Dann wurde auch sie aufgerufen, bekam von ihrer Klassenlehrerin ihr Zeugnis und von der Direktorin eine Rose. Wenigstens nicht wie letztes Jahr mit Gummihandschuhen. Kleine Schritte in Richtung Normalität.

Es wurde viel vermisst im letzten und in diesem Schuljahr. Keine Weihnachtsfeier, keine Klassenfahrten, weder Gruppen-, noch Laborarbeiten, beklagte Biologielehrer Jens Frühbeis. Mangelnde Motivation traf auf fehlende Lehr- und Lehrmöglichkeiten.  

Dem Niveau der Abschlüsse merke man das allerdings nicht an, betonte die Direktorin. Von 66 Realschülern hätten 51 den mittleren Abschluss mit Eignung für die Fachoberschule erreicht und 36 die Eignung für die Gymnasiale Oberstufe. 

Von 31 Hauptschülern schafften 22 den qualifizierenden Hauptschulabschluss, der dazu berechtigt, in die 10. Klasse vorzurücken und den Realschulabschluss zu machen.

Die Klassen- und Jahrgangsbesten wurden auch entsprechend gewürdigt: im Hauptschulzweig Mohammed Hendieh und Jamie-Lee Hurtado-Petrillo (beide 1,7). Im Realschulzweig Arwen Asch (1,4) und im Gymnasialzweig Lilli Einicke und Elena Pohl (beide 1,1). Und es habe keinen „Corona-Bonus“ gegeben.

 

Originelle Showeinlage

Als Gymnasialzweigleiterin Nicola van de Loo ihren Lateinern ein letztes Mal in gewohnter Manier einen lateinischen „Spruch des Tages“ mit auf den Weg geben wollte, ging ein großes Hallo durch die Halle. Aus dem Hintergrund kam ein junger Mann im schwarzen Anzug und Zylinder auf einem blau blinkenden Hoverboard (eine Art elektrisch betriebenes Rollbrett) auf die Bühne gefahren. Max Müller, Abschlussschüler der G10b, hatte soeben eine Wette gewonnen, rief ein fröhliches „Per aspera ad astra“ ins Mikrophon und appellierte in seinem Grußwort an das Auditorium zu spenden. Nicht etwa an ihn – „das war ein kurzer Gedanke“, meint er augenzwinkernd – sondern an den Förderverein der WGS. Er platzierte sich am Ausgang und hatte am Ende 366,50 € im Zylinder. Eine originelle Idee mit einem sozialen Gedanken verbunden. Max geht erst einmal auf das Friedrich-Dessauer-Gymnasium in Höchst und hofft, dort auf eine ähnlich offene Atmosphäre zu treffen wie an der WGS.

Obwohl es auch dieses Jahr keinen großen Abschlussball gab, waren die Gemüter der Anwesenden durchweg positiv gestimmt. Allen Reden war etwas WGS-Typisches gemein. Alle – ob Schüler oder Lehrer – betonten den Zusammenhalt, den Respekt und das Engagement für das Ganze. „Die WGS wird im Herzen bleiben“, fasste Schulsprecherin Malak El Boubkari dieses spezielle Gefühl treffend zusammen. 

abschiedsblick

Jetzt haben alle die Sommerferien dringend nötig. Die Pandemie hat viel Kraft gekostet, der Distanzunterricht Lücken aufgezeigt.

Mit Fordern und Fördern der Jugendlichen wird es weitergehen. Elke Wetterau-Bein hofft, dass es in sechs Wochen möglichst normal losläuft. Zusammenhalt, Bildung und Motivation seien das Dreigestirn der Zukunft. 

 dr dalia ohlinger h9a

 

carolin acker r10a

nora bevern r10b 2

jens frhbeis r10c

torsten vetter g10a 2

farahnaz jamali g10b

heike zweschper g10c 2 2

Hier gibts noch mehr schöne Bilder!

 

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